Teil 1 Sprachmodelle und Digitale Transformation

Der effektive und angemessene Einsatz von digitalen Technologien wie Spachmodellen ist eine komplexe und vielschichtige Fragestellung. Zwei zentrale Begriffe aus der Vorlesung helfen, diesen Wandel zu verstehen: Digital Transformation (DT) und IT-enabled Organizational Transformation (ITOT).
DT beschreibt, wie digitale Technologien das Wertversprechen eines Unternehmens neu definieren und oft sogar eine komplett neue Identität schaffen. Wohin ITOT bestehende Strukturen zu stärkt und Prozesse zu optimiert, ohne den Kern der Organisation radikal zu verändern.
Beide Konzepte haben unterschiedliche Reichweiten, Risiken und Chancen. Wer die Unterschiede versteht, kann strategisch entscheiden, ob Technologie ein kompletter Neuanfang oder ein kraftvoller Verstärker sein soll.

Digital Transformation wird im behandelten Paper “Unpacking the Difference Between Digital Transformation and IT-Enabled Organizational Transformation” als ein Prozess verstanden, bei dem digitale Technologien nicht nur bestehende Prozesse effizienter machen, sondern das gesamte Wertversprechen eines Unternehmens neu aufstellen.
Das kann bedeuten, dass aus einem etablierten Industriebetrieb ein datengetriebener Plattformanbieter wird oder dass völlig neue Geschäftsmodelle entstehen. DT ist damit nicht nur eine technologische, sondern auch eine kulturelle und strategische Neuausrichtung. Man bildet eine neue organisatorischen Identität.

IT-enabled Organizational Transformation verfolgt einen anderen Ansatz. Hier werden digitale Technologien eingesetzt, um die bestehende Unternehmensidentität zu verstärken und das aktuelle Wertversprechen besser zu erfüllen. Das kann durch Prozessautomatisierung, verbesserte Datenanalyse oder optimierte Kundeninteraktion geschehen. Der Fokus liegt darauf, Kontinuität zu sichern und gleichzeitig Effizienz, Qualität und Reaktionsgeschwindigkeit zu steigern. Die Organisation bleibt im Kern dieselbe, nur leistungsfähiger.

Ein anschauliches Beispiel für Digital Transformation mit Sprachmodellen ist der Wandel des Unternehmens Duolingo. Ursprünglich war Duolingo eine klassische Lern-App, die vor allem auf fest vorgegebene Übungen und simple Multiple-Choice-Formate setzte. Mit dem Einsatz von KI-gestützten Sprachmodellen veränderte sich jedoch nicht nur die Art, wie Inhalte vermittelt werden, sondern auch das gesamte Wertversprechen. Statt lediglich eine App zu sein, die Sprachlektionen anbietet, positioniert sich Duolingo zunehmend als personalisierter Sprachcoach, der in Echtzeit auf die individuellen Stärken und Schwächen der Lernenden eingeht. Die KI kann Dialoge führen, auf komplexe Fragen reagieren und dynamisch Lerninhalte generieren, die exakt auf den aktuellen Lernstand zugeschnitten sind. Dadurch verschiebt sich das Selbstverständnis des Unternehmens weg von einer starren Lernplattform hin zu einem interaktiven, KI-basierten Bildungspartner. Diese Veränderung hat nicht nur das Produkt grundlegend neu definiert, sondern auch den Markt, in dem Duolingo agiert, erweitert, da nun Zielgruppen erreicht werden, die nicht nur Vokabeln pauken, sondern in einem kontinuierlichen, lebendigen Gespräch lernen wollen.

Quelle:
Ein Artikel von The Verge beschreibt, wie Duolingo GPT-4 nutzt, um interaktive, KI-gestützte Sprachlernerfahrungen zu bieten:
https://www.theverge.com/2023/6/7/23753504/duolingo-gpt-4-openai-ai-language-learning
Offizielle Ankündigung von Duolingo zur Integration von KI in ihre App:
https://blog.duolingo.com/ai-language-learning/

Ein Beispiel für IT-enabled Organizational Transformation, das durch den Einsatz von Sprach-KI erfolgreich umgesetzt wurde, ist das Unternehmen Siemens im Bereich der internen Wissensverwaltung und technischen Dokumentation. Siemens nutzt Sprachmodelle, um die umfangreichen technischen Handbücher, Wartungsanleitungen und interne Kommunikationsprozesse effizienter zu gestalten. Dabei bleibt das grundlegende Geschäftsmodell und die Unternehmensidentität unverändert – Siemens ist weiterhin ein globaler Industriekonzern mit Fokus auf Innovation und technische Exzellenz. Die Sprach-KI hilft dabei, komplexe technische Dokumente automatisch zu analysieren, relevante Informationen schneller zugänglich zu machen und interne Abteilungen miteinander besser zu vernetzen. Durch die Automatisierung von Routineaufgaben wie der Zusammenfassung langer Texte oder der Generierung technischer Berichte wird die Effizienz deutlich gesteigert, ohne dass der Kern der Organisation oder ihr Wertversprechen radikal verändert wird. Dies ermöglicht Siemens, die bestehenden Prozesse zu optimieren, Wissensflüsse zu beschleunigen und die Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit gezielter zu unterstützen, was zu einer nachhaltigen Steigerung der Produktivität führt. Damit ist die Sprach-KI ein Werkzeug zur Verstärkung der bestehenden Organisation, das Siemens hilft, im Wettbewerb besser aufgestellt zu bleiben, ohne eine grundlegende Neuausrichtung vornehmen zu müssen.

Quelle:
Siemens berichtet auf ihrer Webseite und in Fachartikeln über den Einsatz von KI für technische Dokumentation und Wissensmanagement, z. B. in ihrem Digital Industries Bereich:
https://new.siemens.com/global/en/company/stories/industry/ai-helps-industry.html
Fachartikel über die Anwendung von KI in der technischen Dokumentation bei Siemens, z.B. in der Zeitschrift Automation World:
https://www.automationworld.com/factory/ai-machine-learning/article/21234520/siemens-leverages-ai-to-accelerate-technical-documentation

Der Einsatz von Digital Transformation und IT-enabled Organizational Transformation bringt neben den vielen Vorteilen auch erhebliche Herausforderungen und Risiken mit sich, die nicht selten zum Scheitern führen können. Bei der Digital Transformation liegt ein wesentlicher Nachteil darin, dass sie mit tiefgreifenden Veränderungen in der Unternehmensstruktur, Kultur und Strategie einhergeht, die nicht immer reibungslos umgesetzt werden können. Die radikale Neuausrichtung eines Unternehmens erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern auch die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeiter, sich auf neue Arbeitsweisen einzulassen. Häufig stoßen solche Veränderungen auf Widerstände, da Ängste vor Arbeitsplatzverlust, Unsicherheit bezüglich neuer Rollen oder einfach die Komplexität des Wandels selbst die Umsetzung erschweren. Ein bekanntes Beispiel für das Scheitern von Digital Transformation ist Kodak. Das Unternehmen, einst ein dominanter Player im Bereich der Fotografie, unterschätzte die disruptive Wirkung der digitalen Fototechnologien und versäumte es, sein Geschäftsmodell rechtzeitig radikal neu auszurichten. Die digitale Transformation wurde zu spät und zu zögerlich angegangen, was letztlich zum Niedergang und zur Insolvenz führte. Hier zeigt sich, dass eine fehlende oder unzureichende strategische Neuausrichtung und ein mangelndes Verständnis der eigenen digitalen Chancen fatale Folgen haben können.

Auch bei IT-enabled Organizational Transformation sind Risiken nicht zu unterschätzen, obwohl diese Form der Transformation vermeintlich risikoärmer erscheint, da sie auf die Stärkung bestehender Strukturen abzielt. Der Fokus auf Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung kann dazu führen, dass notwendige Innovationsimpulse ausbleiben und das Unternehmen in einer trügerischen Sicherheit verharrt. Wenn technologische Verbesserungen nur als Werkzeug zur Verstärkung der aktuellen Identität genutzt werden, kann dies dazu führen, dass das Unternehmen langfristig den Anschluss an disruptive Marktveränderungen verliert. Ein Beispiel hierfür ist Nokia, das trotz zahlreicher IT-Optimierungen und Prozessverbesserungen den Wandel im Mobilfunkmarkt nicht hinreichend antizipierte und so von neuen Wettbewerbern wie Apple und Samsung überholt wurde. Die Versäumnisse lagen weniger in der Technologieimplementierung selbst, sondern in der fehlenden Bereitschaft zu einer umfassenden strategischen Neuausrichtung, die über reine Effizienzsteigerung hinausgeht.

Ein weiteres Problem bei beiden Ansätzen ist die Komplexität der Implementierung. Sowohl Digital Transformation als auch IT-enabled Organizational Transformation benötigen umfangreiche Investitionen in Technologie, Schulung und Change Management. Ohne eine klare Vision und ein starkes Leadership kann die Einführung neuer digitaler Technologien zu fragmentierten Lösungen, ineffizienten Prozessen und Frustration bei den Mitarbeitenden führen. Zudem kann die Abhängigkeit von neuen Technologien wie Sprachmodellen Risiken bergen, etwa durch unvorhergesehene Fehler, Datenschutzprobleme oder ethische Fragestellungen, die das Vertrauen der Kunden und Mitarbeiter beeinträchtigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl Digital Transformation als auch IT-enabled Organizational Transformation nur dann erfolgreich sein können, wenn sie sorgfältig geplant, mit einer klaren Strategie begleitet und von der gesamten Organisation mitgetragen werden. Scheitern diese Voraussetzungen, können die oft großen Investitionen in Technologie und Wandel in eine Sackgasse führen, die nicht nur finanziellen Schaden anrichtet, sondern auch das Vertrauen der Mitarbeiter und Kunden nachhaltig erschüttert. Die Beispiele von Kodak und Nokia verdeutlichen eindrücklich, wie gefährlich es sein kann, die richtige Balance zwischen Innovation und Kontinuität zu verpassen und sich entweder zu spät oder nur oberflächlich mit dem digitalen Wandel auseinanderzusetzen.

Teil 2: Sprachmodelle und Affordanzen anhand eures Fallbeispiels

Die Bäckerei- und Konditoreikette Müller und Egerer betreibt zahlreiche Filialen in Norddeutschland und bietet ihren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, Backwaren sowohl vor Ort als auch über eine eigene App vorzubestellen. Dieser Prozess ist in der aktuellen Form zwar gut strukturiert, weist jedoch einige Einschränkungen auf, die sowohl die Flexibilität als auch die Nutzerfreundlichkeit betreffen. Vor diesem Hintergrund untersucht dieser Text, wie der Einsatz eines KI-gestützten Sprachmodells den Vorbestellprozess konkret verändern könnte. Grundlage der Analyse ist die Affordanz-Theorie, die aufzeigt, welche Handlungsmöglichkeiten sich durch bestimmte Eigenschaften eines Systems eröffnen. Ziel ist es, die theoretischen Grundlagen der Affordanz-Theorie darzustellen, den bestehenden Prozess zu skizzieren, die möglichen neuen Handlungsmöglichkeiten durch ein Sprachmodell zu analysieren und schließlich Chancen, Risiken sowie die langfristige Bedeutung dieser Technologie kritisch zu bewerten.

Die Affordanz-Theorie beschreibt, welche Handlungsmöglichkeiten ein Objekt oder ein System einem Nutzer aufgrund seiner Eigenschaften eröffnet. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Wahrnehmungspsychologie und wurde von James J Gibson geprägt. Später hat Donald Norman den Ansatz auf das Design von Produkten übertragen und damit betont, dass nicht nur die objektiven Möglichkeiten zählen, sondern auch das, was der Nutzer intuitiv erkennt und umsetzen kann. In einem digitalen Kontext bedeutet dies, dass eine Software nicht nur bestimmte Funktionen anbietet, sondern diese auch so gestaltet, dass sie von den Nutzern leicht wahrgenommen und genutzt werden können. Überträgt man den Ansatz auf Sprachmodelle, werden diese zu Werkzeugen, die durch ihre Fähigkeiten wie das Verstehen und Generieren natürlicher Sprache neue Handlungsoptionen im Arbeitsprozess eröffnen. Ein Sprachmodell kann etwa Informationen anfordern, Anfragen beantworten oder Prozesse initiieren, ohne dass der Nutzer komplexe Befehlssyntax beherrschen muss. Die Mechanismen wie request, demand oder encourage beschreiben dabei unterschiedliche Formen dieser Handlungsmöglichkeiten. Request steht für das gezielte Anfordern von Informationen oder Aktionen, demand für das verbindliche Einfordern einer Handlung und encourage für das Anregen oder Unterstützen bestimmter Handlungen. Diese Perspektive ermöglicht es, die Auswirkungen eines Sprachmodells auf einen Geschäftsprozess strukturiert zu analysieren.

Der Vorbestellprozess bei Müller und Egerer umfasst zwei Hauptwege, über die Kundinnen und Kunden ihre Bestellungen aufgeben können, entweder direkt vor Ort in einer Filiale oder über die unternehmenseigene App. Bei der Bestellung in der Filiale nehmen die Mitarbeitenden zunächst persönliche Daten wie Name, Telefonnummer, Abholdatum und Abholzeit sowie die gewünschten Artikel auf und übertragen diese in das ERP-Kassensystem. Nach der Auswahl der Produkte erfolgt die Bezahlung, die hier flexibel mit verschiedenen Zahlungsmitteln oder einer Kombination daraus möglich ist. Anschließend wird ein Abholbon ausgedruckt, der bei der Abholung vorgelegt werden muss. Bei der App-Bestellung wählt die Kundin oder der Kunde zunächst die Filiale und den Abholzeitpunkt aus, gibt die gewünschten Artikel ein und entscheidet sich für eine der drei angebotenen Zahlungsmethoden Kundinnenkarte, Bankkarte oder PayPal. Nach erfolgter Zahlung wird die Bestellung digital übermittelt. Beide Bestellarten führen dazu, dass zentrale und lokale Produktionsschritte koordiniert werden, sodass die Bestellung am Abholtag bereitliegt. In der Fallstudie wird deutlich, dass der Prozess an einigen Stellen Optimierungspotenzial aufweist. So ist es weder in der App noch bei einer Vor-Ort-Bestellung möglich, nachträgliche Änderungen vorzunehmen, was im Fehlerfall oft eine vollständige Neuerfassung erforderlich macht. Auch zeigt sich eine Einschränkung in der App, da hier im Gegensatz zum Filialverkauf nur eine einzelne Zahlungsmethode genutzt werden kann, was die Flexibilität für die Kundinnen und Kunden verringert und potenziell die Nutzerfreundlichkeit beeinträchtigt.

Ein Sprachmodell könnte in diesem Prozess an mehreren Stellen neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen und so die Effizienz und Benutzerfreundlichkeit erhöhen. Im Sinne des Mechanismus request könnte es Bestellungen sowohl in der Filiale als auch über die App per Spracheingabe aufnehmen und dabei automatisch fehlende Angaben erfragen, sodass der Eingabeaufwand für Kundinnen und Kunden sowie für Mitarbeitende sinkt. Über den Mechanismus demand könnte das Modell sicherstellen, dass alle erforderlichen Angaben wie Abholzeitpunkt oder Zahlungsmethode vollständig vorliegen, bevor der Bestellvorgang abgeschlossen wird, und so Fehler oder Nacharbeiten vermeiden. Der Mechanismus encourage ließe sich nutzen, um Kundinnen und Kunden auf neue Produkte aufmerksam zu machen, individuelle Angebote zu unterbreiten oder an die Abholung zu erinnern, etwa durch personalisierte Nachrichten in der App oder automatisierte Telefonanrufe. Darüber hinaus könnte ein Sprachmodell Bestelldaten direkt in das ERP-System übertragen, Verfügbarkeiten in Echtzeit prüfen oder Änderungen an einer bestehenden Bestellung ermöglichen, ohne dass diese komplett neu angelegt werden muss. Es könnte auch Zahlungsoptionen flexibel vorschlagen und so die Einschränkung der App in diesem Punkt überwinden. Diese Affordanzen würden nicht nur den Ablauf für die Kundinnen und Kunden vereinfachen, sondern auch die Mitarbeitenden entlasten und die Genauigkeit der Bestellinformationen erhöhen.

Der Einsatz eines Sprachmodells in diesem Prozess bietet eine Reihe von Chancen, die sowohl das Kundenerlebnis als auch die internen Abläufe verbessern könnten. Durch automatisierte Eingaben und direkte Interaktion in natürlicher Sprache ließen sich Bearbeitungszeiten verkürzen und Fehlerquoten reduzieren, was zu einer höheren Effizienz und einer spürbaren Entlastung der Mitarbeitenden führen würde. Kundinnen und Kunden könnten von einer intuitiveren Bestellmöglichkeit profitieren, die weniger technische Hürden erfordert und gleichzeitig mehr Flexibilität bei Zahlungsmethoden oder Änderungen einer Bestellung erlaubt. Darüber hinaus eröffnen sich Potenziale für personalisierte Angebote, die auf individuellen Kaufhistorien basieren und so die Kundenbindung stärken. Demgegenüber stehen jedoch Risiken, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen. Besonders relevant ist der Datenschutz, da die Verarbeitung von Sprach- und Bestelldaten strengen gesetzlichen Vorgaben unterliegt und ein hohes Maß an technischer Sicherheit erfordert. Auch die Akzeptanz neuer Technologien durch Mitarbeitende und Kundschaft ist nicht selbstverständlich und könnte durch Skepsis gegenüber KI-Systemen oder durch Bedenken hinsichtlich Zuverlässigkeit und Fehlinterpretationen beeinflusst werden. Schließlich erfordert die Integration eines Sprachmodells in bestehende Systeme nicht nur technische Anpassungen, sondern auch laufende Wartung und Schulung, um die Qualität und Stabilität des Prozesses langfristig zu gewährleisten.

Insgesamt zeigt sich, dass der Einsatz eines Sprachmodells im Vorbestellprozess von Müller und Egerer sowohl für die Kundschaft als auch für die internen Abläufe einen deutlichen Mehrwert schaffen könnte. Durch die Möglichkeit, Bestellungen flexibel und intuitiv per Spracheingabe aufzugeben, Informationen automatisch zu verarbeiten und personalisierte Interaktionen zu ermöglichen, ließen sich viele der in der Fallstudie identifizierten Schwachstellen wirksam beheben. Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht alle Aufgaben durch ein Sprachmodell vollständig ersetzt werden können, da insbesondere komplexe Sonderwünsche oder situationsabhängige Entscheidungen weiterhin menschliche Aufmerksamkeit erfordern. Die Vorteile in Form von Effizienzsteigerung, höherer Kundenzufriedenheit und verbesserter Datenqualität müssen daher immer im Kontext möglicher Risiken wie Datenschutz, technischer Abhängigkeit und Akzeptanzproblemen bewertet werden. Langfristig könnte ein gut integriertes Sprachmodell dazu beitragen, den Vorbestellprozess nicht nur einfacher und schneller zu gestalten, sondern auch das Serviceerlebnis so zu verbessern, dass die Kundenbindung gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhöht wird.

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Künstliche Intelligenz ist in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil öffentlicher Diskussionen geworden. Besonders Sprachmodelle wie ChatGPT haben viel Aufmerksamkeit erhalten, weil sie in der Lage sind, Texte zu erzeugen, die menschlicher Sprache sehr ähnlich sind. Sie werden als Werkzeuge gesehen, die den Alltag erleichtern, Bildung unterstützen und neue kreative Möglichkeiten eröffnen können. Gleichzeitig stehen sie aber auch in der Kritik, weil sie fehlerhafte Informationen verbreiten, Vorurteile weitergeben oder Abhängigkeiten von großen Technologiekonzernen verstärken können. Es zeigt sich, dass Sprachmodelle nicht nur technische Produkte sind, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen haben.

Sprachmodelle wie ChatGPT bieten viele Chancen. Sie können Menschen beim Schreiben helfen und dabei Ideen liefern, auf die man selbst nicht gekommen wäre. Auch im Bildungsbereich eröffnen sich neue Möglichkeiten, da Schüler und Studierende beim Lernen unterstützt werden können. Texte lassen sich schneller verstehen, schwierige Inhalte werden vereinfacht erklärt und Übersetzungen sind leichter zugänglich. Für Menschen mit Sprachbarrieren oder einer Behinderung kann ein Sprachmodell eine wichtige Hilfe sein, weil es den Zugang zu Wissen erleichtert. In kreativen Bereichen wie Literatur, Musik oder Programmieren kann es als Werkzeug dienen, das neue Impulse gibt. Auch in der Arbeitswelt zeigen sich Vorteile, da Routineaufgaben automatisiert werden können und damit Zeit für komplexere Tätigkeiten bleibt. Die Chancen liegen also nicht nur in einer höheren Effizienz, sondern auch darin, dass mehr Menschen unabhängig von ihrem Hintergrund von digitalem Wissen profitieren können.

Trotz dieser Chancen gibt es auch viele Risiken. ChatGPT kann Informationen erfinden und diese klingen oft sehr überzeugend. Dadurch besteht die Gefahr, dass Nutzer falsches Wissen übernehmen. Ein weiteres Problem sind die Vorurteile, die in den Trainingsdaten stecken. Wenn das Modell auf Texte zurückgreift, die bestimmte Gruppen benachteiligen, kann es diese Stereotype unbewusst weitergeben. Auch in der Bildung entsteht ein Risiko, weil Studierende die Texte der KI übernehmen können, ohne selbst zu lernen. Das untergräbt langfristig die Fähigkeit, kritisch zu denken. In der Arbeitswelt kann der Einsatz solcher Modelle Arbeitsplätze gefährden, besonders dort, wo es um Routineaufgaben geht. Gleichzeitig schaffen die Modelle eine Abhängigkeit von großen Technologiefirmen, die entscheiden, wie die Systeme funktionieren und welche Inhalte gefiltert werden. Damit geht auch eine Machtverschiebung einher, die kritisch betrachtet werden muss. Schließlich können Sprachmodelle für Manipulation genutzt werden, etwa um politische Botschaften zu verstärken oder Desinformation zu verbreiten. Die Risiken sind also eng mit den Chancen verbunden und machen deutlich, dass ein unkritischer Umgang mit ChatGPT problematisch wäre.

Die Entwicklerinnen und Entwickler von ChatGPT hatten bestimmte Nutzungskontexte im Kopf, als sie das Modell entwarfen. Gedacht war es vor allem als Produktivitätswerkzeug, das beim Schreiben hilft, Fragen beantwortet und im Kundenservice eingesetzt werden kann. Das Modell sollte eine neutrale Assistenz darstellen, die vor allem Arbeitsprozesse erleichtert. In der Realität zeigt sich jedoch, dass Menschen ChatGPT auf ganz unterschiedliche Weise einsetzen, oft jenseits dieser ursprünglichen Vorstellungen. Studierende nutzen es, um Hausarbeiten zu schreiben oder Ideen für Prüfungen zu sammeln. Manche Menschen verwenden es sogar als eine Art Ersatz für Therapiegespräche, indem sie persönliche Probleme schildern und nach Rat fragen. Auch als Suchmaschine wird das Modell gebraucht, obwohl es dafür nicht entwickelt wurde und Fehler machen kann. Darüber hinaus tauchen kreative Formen der Nutzung auf, etwa beim Schreiben von Gedichten, beim Erfinden von Geschichten oder im Bereich von Computerspielen. Diese Diskrepanz zwischen geplantem und tatsächlichem Gebrauch macht deutlich, dass technologische Innovationen nie völlig kontrollierbar sind. Nutzerinnen und Nutzer eignen sich die Technik nach ihren eigenen Bedürfnissen an, was Chancen eröffnet, aber auch neue Risiken schafft.

In das Design von ChatGPT sind bestimmte Normen und Werte eingeschrieben, die nicht sofort sichtbar sind. Das Modell wurde so entwickelt, dass es „sichere“ Antworten gibt und keine schädlichen Inhalte verbreitet. Diese Sicherheitsfilter spiegeln jedoch vor allem die Werte und Vorstellungen der Entwicklerfirmen wider, die stark im westlich-liberalen Kontext verankert sind. Was als neutral oder angemessen gilt, ist also keine objektive Tatsache, sondern eine bewusste Entscheidung. Auch in der Sprache zeigt sich diese Prägung. ChatGPT bevorzugt standardisierte Ausdrucksweisen und fördert damit eine bestimmte Form von Kommunikation, während Dialekte, Umgangssprache oder kulturell spezifische Ausdrucksweisen oft an den Rand gedrängt werden. Zudem trägt das Modell die Vorurteile weiter, die in den Trainingsdaten enthalten sind. Das betrifft etwa Geschlechterrollen oder rassistische Stereotype, die unbewusst in den Antworten reproduziert werden können. Ein weiterer Aspekt ist die unsichtbare Arbeit, die hinter dem Modell steckt. Menschen, oft aus Ländern des Globalen Südens, haben Texte markiert und bewertet, um das Modell zu trainieren. Ihre Entscheidungen haben direkten Einfluss darauf, welche Inhalte als akzeptabel gelten und welche nicht. Damit wird deutlich, dass ChatGPT kein neutrales Werkzeug ist, sondern dass gesellschaftliche Normen und Machtverhältnisse in seine Funktionsweise eingeschrieben sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sprachmodelle wie ChatGPT sowohl große Chancen als auch erhebliche Risiken mit sich bringen. Sie können den Zugang zu Wissen erleichtern, kreative Prozesse unterstützen und in vielen Bereichen für mehr Effizienz sorgen. Gleichzeitig zeigen sich jedoch auch problematische Seiten wie die Weitergabe von Vorurteilen, die Gefahr von Fehlinformationen und die Abhängigkeit von großen Technologiekonzernen. Besonders deutlich wird, dass diese Systeme nicht neutral sind, sondern Werte und Annahmen in sich tragen, die von ihren Entwicklerinnen und Entwicklern vorgegeben werden. Die ursprünglichen Nutzungsvorstellungen unterscheiden sich zudem stark von den tatsächlichen Praktiken der Nutzerinnen und Nutzer, was zeigt, dass die gesellschaftliche Wirkung solcher Technologien kaum vollständig planbar ist. Für die Zukunft ist daher entscheidend, Sprachmodelle kritisch zu betrachten, ihren Einsatz zu regulieren und Bewusstsein für ihre Grenzen zu schaffen. Nur so können die Chancen genutzt und die Risiken in vertretbarem Maß kontrolliert werden.

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Die zunehmende Integration von KI-Technologien in Geschäftsprozesse wirft nicht nur technische, sondern auch ethische Fragen auf. Im Fall der Bäckerei- und Konditoreikette Müller und Egerer, die ihren Kundinnen und Kunden sowohl vor Ort als auch über eine App die Möglichkeit bietet, Bestellungen aufzugeben, eröffnet der Einsatz eines Sprachmodells vielfältige Chancen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die Nutzung dieser Technologie ethischen Anforderungen entspricht. Im Folgenden wird der ethische Wert der Freiheit von Diskriminierung betrachtet und auf den Einsatz von Sprachmodellen im Vorbestellprozess angewendet. Dieser Wert ist sowohl in den Ethics Guidelines for Trustworthy AI der EU-Kommission als auch im Rahmen des Value Sensitive Design (VSD) zentral, da er sicherstellt, dass KI-Systeme keine Benachteiligung bestimmter Nutzergruppen verursachen.

Freiheit von Diskriminierung bedeutet in Bezug auf Sprachmodelle, dass diese Systeme so gestaltet und implementiert werden, dass sie alle Nutzerinnen und Nutzer unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Sprache, Behinderung oder anderen sozialen Merkmalen gleich behandeln. Sprachmodelle, die auf großen Textkorpora trainiert werden, bergen das Risiko, bestehende gesellschaftliche Vorurteile zu reproduzieren, insbesondere wenn Trainingsdaten nicht ausreichend divers oder stark voreingenommen sind. In einem geschäftlichen Kontext kann dies konkrete Auswirkungen haben: Wenn das Sprachmodell beispielsweise die Sprache oder Ausdrucksweise bestimmter Gruppen schlechter versteht, könnten deren Bestellungen fehlerhaft erfasst werden oder sie erhalten weniger personalisierte Angebote, was eine Form struktureller Diskriminierung darstellt. Auch subtile Effekte wie die Gewichtung bestimmter Zahlungsmethoden oder Produktvorschläge können diskriminierend wirken, wenn sie bestimmte Kundengruppen systematisch benachteiligen.

Im Vorbestellprozess von Müller und Egerer spielt dieser Wert eine wichtige Rolle, da die Kundschaft sehr heterogen ist. Die Bäckerei bedient sowohl jüngere, technikaffine Nutzer, die bevorzugt die App nutzen, als auch ältere Kundinnen und Kunden, die häufig direkt in der Filiale bestellen. Darüber hinaus gibt es Unterschiede in der sprachlichen Ausdrucksweise oder in der Nutzung von Dialekten, die das Verständnis eines Sprachmodells beeinflussen könnten. Würde das Modell beispielsweise Anfragen in norddeutschem Dialekt schlechter interpretieren, könnten diese Kunden länger warten oder müssten Bestellungen mehrfach korrigieren, während andere Kunden problemlos bedient werden. Solche Unterschiede widersprechen dem ethischen Wert der Gleichbehandlung und müssen aktiv adressiert werden, um Diskriminierung zu vermeiden.

Die Anwendung des Werts der Freiheit von Diskriminierung beginnt bereits bei der Datenbasis des Sprachmodells. Um sicherzustellen, dass das System alle Kundinnen und Kunden fair behandelt, müssen Trainingsdaten vielfältig und repräsentativ sein. Dazu gehört die Berücksichtigung verschiedener Altersgruppen, Sprachvarianten, kultureller Hintergründe und möglicher Barrieren wie Behinderungen. Für die Bäckerei bedeutet dies konkret, dass sowohl Standardhochdeutsch als auch regionale Dialekte erfasst werden sollten, damit das Modell Bestellungen zuverlässig versteht. Ebenso sollten alternative Kommunikationswege berücksichtigt werden, um Kundinnen und Kunden mit Einschränkungen, beispielsweise in der Hör- oder Sprachfähigkeit, gerecht zu werden. Auf diese Weise können sowohl digitale Vorbestellungen über die App als auch Bestellungen in der Filiale diskriminierungsfrei verarbeitet werden.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Transparenz des Systems. Kundinnen und Kunden müssen verstehen können, wie das Sprachmodell funktioniert, welche Daten verarbeitet werden und welche Mechanismen hinter Vorschlägen oder automatischen Anpassungen stehen. Transparenz wirkt indirekt diskriminierungspräventiv, da Benutzerinnen und Benutzer etwa erkennen können, wenn Eingaben missverstanden werden, und das System entsprechend korrigieren können. Für die Mitarbeitenden ist dies ebenso relevant, da sie als Schnittstelle zwischen Kundschaft und System Fehlinterpretationen erkennen und intervenieren können. Schulungen für das Personal sind daher entscheidend, um das System nicht nur technisch, sondern auch ethisch korrekt zu nutzen.

Darüber hinaus spielt die kontinuierliche Überwachung des Sprachmodells eine wichtige Rolle. Diskriminierungsfreie Systeme erfordern regelmäßige Tests und Anpassungen, um sicherzustellen, dass keine ungewollten Verzerrungen auftreten. Im Kontext von Müller und Egerer könnten etwa regelmäßig anonymisierte Bestelldaten analysiert werden, um zu überprüfen, ob es systematische Unterschiede bei der Bearbeitung bestimmter Kundengruppen gibt. Erkenntnisse aus diesen Analysen können genutzt werden, um das Modell gezielt zu verbessern, etwa durch Nachjustierung der Spracherkennung für Dialekte oder durch Anpassung von Empfehlungen, sodass alle Kundinnen und Kunden gleichwertig berücksichtigt werden. Auch ein Feedback-Kanal für Kundinnen und Kunden trägt dazu bei, mögliche Benachteiligungen schnell zu erkennen und zu beheben.

Ein weiterer Aspekt der diskriminierungsfreien Gestaltung betrifft die Personalisierung von Angeboten. Sprachmodelle können Kundinnen und Kunden auf Basis von Bestellhistorien personalisierte Vorschläge machen oder an Abholzeiten erinnern. Wenn diese Mechanismen nicht sorgfältig implementiert werden, könnten bestimmte Gruppen systematisch über- oder unterrepräsentiert werden, beispielsweise wenn junge, technikaffine Nutzer häufiger personalisierte Angebote erhalten als ältere Kundinnen und Kunden. Um diesem Risiko zu begegnen, sollte die Personalisierung transparent gestaltet und auf neutralen, fairen Kriterien basieren, die allen Kundinnen und Kunden die gleichen Chancen bieten. Dies könnte durch zufällige Variation der Empfehlungen oder durch geregelte Verteilung der Sonderangebote erreicht werden.

Neben der Datenbasis, der Transparenz und der Überwachung spielt auch die technische Implementierung eine Rolle. Diskriminierungsfreie Sprachmodelle müssen robust gegenüber Fehlinterpretationen sein, die bestimmte Gruppen benachteiligen könnten. In der Praxis bedeutet dies, dass das Modell flexibel auf unterschiedliche Formulierungen reagiert, alternative Eingaben akzeptiert und Fehler aktiv abfängt. Für den Vorbestellprozess heißt das konkret: Wird eine Bestellung unvollständig oder in Dialekt eingegeben, sollte das Modell automatisch fehlende Informationen erfragen, ohne dass die Kundin oder der Kunde benachteiligt wird. Ein Sprachmodell, das dies zuverlässig leistet, trägt entscheidend dazu bei, den Wert der Freiheit von Diskriminierung zu wahren.

Die ethische Umsetzung erfordert zudem die Integration von Feedbackschleifen zwischen Nutzerinnen, Mitarbeitenden und Entwickelnden. Diskriminierungsrisiken lassen sich nicht einmalig vollständig ausschließen, sondern müssen kontinuierlich identifiziert und adressiert werden. Im geschäftlichen Alltag könnten hierzu etwa regelmäßige Audits oder Tests gehören, bei denen die Interaktion des Sprachmodells mit unterschiedlichen Kundengruppen simuliert wird. Auch eine fortlaufende Anpassung des Systems an neue Kundenerwartungen oder geänderte Sprachgewohnheiten ist notwendig, um Diskriminierung zu vermeiden.

Abschließend zeigt die Analyse, dass der Einsatz eines Sprachmodells im Vorbestellprozess von Müller und Egerer sowohl erhebliche Effizienzgewinne als auch Herausforderungen aus ethischer Sicht mit sich bringt. Der Wert der Freiheit von Diskriminierung verdeutlicht, dass technische Innovation allein nicht ausreicht: Nur durch bewusste, systematische Maßnahmen wie diverse Trainingsdaten, transparente Kommunikation, kontinuierliche Überwachung, gerechte Personalisierung und robuste Implementierung kann sichergestellt werden, dass alle Kundinnen und Kunden gleichermaßen von den Vorteilen profitieren. Wird dieser ethische Anspruch konsequent umgesetzt, kann das Sprachmodell nicht nur die Nutzerfreundlichkeit und Flexibilität im Vorbestellprozess erhöhen, sondern auch das Vertrauen der Kundschaft in das Unternehmen stärken. Gleichzeitig wird verhindert, dass unbewusste Vorurteile oder technische Einschränkungen bestimmte Gruppen benachteiligen, wodurch ein verantwortungsvoller und gesellschaftlich akzeptierter Einsatz von KI im Geschäftsprozess gewährleistet wird.

Insgesamt zeigt sich: Die Verbindung von innovativer Technologie und ethischem Design ist kein Widerspruch, sondern eine notwendige Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg. Bei Müller und Egerer kann ein diskriminierungsfreies Sprachmodell die Qualität des Vorbestellprozesses erheblich verbessern, die Kundenzufriedenheit steigern und die Mitarbeitenden entlasten. Zugleich setzt es ein klares Signal, dass technologische Fortschritte im Einklang mit gesellschaftlichen Werten und Normen umgesetzt werden – ein Ansatz, der sowohl wirtschaftlich als auch ethisch zukunftsweisend ist.